Immer mehr Flüchtlinge bei der Soester Tafel
In seiner Ausgabe vom 3.4.2022 berichtete der Soester Anzeiger über die Herausforderungen an die Soester Tafel im Zusammenhang mit den Folgen des Krieges in der Ukraine!
Es ist voll an der Soester Tafel – und der Strom reißt nicht ab. Gerade erst hat morgens die Ausgabe von Obst und Gemüse begonnen, da haben sich wieder 16 Kunden neu angemeldet. So geht es weiter, und so war es auch an den Tagen vorher. Allein 70 Familien kommen aus der Ukraine, hauptsächlich Mütter und Kinder, aber auch ältere Menschen, wie zum Beispiel Rentnerpaare. Michael König, seit vielen Jahren Tafel-Vorsitzender, weiß um die oft versteckte Armut in Stadt und Land. Er kennt auch die vielen Gesichter materieller Not. Doch in diesen Tagen erleben er und das gesamte Team eine Sondersituation: So viele Bedürftige auf einmal standen noch nie vor der Tür.
Die Folgen des Krieges – auch in Soest sind sie spür- und sichtbar. Menschen auf der Flucht suchen Schutz. Sie haben Hunger. Bei der Tafel bekommen sie für kleines Geld gute Lebensmittel.
„Zunächst haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt“, erklärt Michael König. Einfache Piktogramme erleichterten die Kommunikation etwas. Doch nun springen Nadja Paulits und ihre Freundin Elena Nikitina ehrenamtlich ein, um zu übersetzen. Sie begrüßen die Kunden, informieren sie über die Abläufe, ebenso über die Formalien, dass es zum Beispiel erforderlich ist, zum Abgleich des Namens persönliche Papiere wie den Pass mitzubringen. Ein kleiner Tisch draußen auf dem Hof dient ihnen als Büro, und dort herrscht reger Betrieb.
„Erst vorige Woche sind 20 afghanische Familien zu uns gekommen“, schildert Michael König. Auch sie haben ihr Land aus Angst um ihr Leben verlassen. Kriege, Katastrophen, Konflikte – es sei erstaunlich, wie schnell das Weltgeschehen die lokale Ebene erreiche und dann ehrenamtliche Organisationen wie die Tafel unmittelbar betreffe. König spricht von sehr beanspruchenden, schwierigen Zeiten – auch durch die schon seit mehr als zwei Jahren andauernde Pandemie. Die Preise steigen in beinahe allen Bereichen, ob im Supermarkt, in der Bäckerei, an der Tankstelle.
Der Vorsitzende stellt fest, dass Stammkunden, die bisher vielleicht einmal im Monat bei der Tafel eingekauft haben, nun häufiger vorbeischauen, weil sie sich bei zusätzlichen finanziellen Belastungen noch mehr einschränken müssen. Der Andrang wächst, unaufhörlich, wie es aussieht. Zwar seien noch genug gespendete Lebensmittel für alle da, der Vorsitzende sagt aber auch: „Die Tüten sind im Moment nicht mehr so prall gefüllt wie sonst. Wir müssen ja mit dem, was wir haben, auskommen.“ Fünfzig Cent zahlt eine Person für eine Wochenration, die Preise staffeln sich bis zu 2 Euro, je nach Größe der Familie.
20 afghanische und etwa 70 ukrainische Familien – was bedeutet das konkret? „Rund 50 afghanische Menschen und etwa 250 bis 300 Personen sind in den letzten vier Wochen zusätzlich Tafelkunden geworden. Ein Anstieg von 20 bis 30 Prozent. Ein Ende des Anstiegs ist nicht absehbar“, antwortet Michael König.
Nadja Paulits und Elena Nikitina kommen mit den Flüchtlingen ins Gespräch. Sie erzählen, dass sie viele freundliche und höfliche Menschen kennenlernen, die bei allen schrecklichen Erlebnissen froh sind, Hilfe zu erfahren und die ihre Hoffnung bewahren, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können. Viele Flüchtlinge sind privat untergekommen, auch bei Menschen, die selber nicht viel besitzen und dennoch einen Schlafplatz zur Verfügung stellen. Für das Essen allerdings könne sie nicht sorgen, dafür reiche ihr Geld nicht, vertraute eine Soesterin, die Sozialleistungen erhält, Michael König an. Deshalb geht ihr Gast zur Tafel.
Auf Spenden angewiesen
Für die Soester Tafel sind zwei Transporter unterwegs, die auch dringend erforderlich sind, um die Lebensmittelspenden in Soest und in benachbarten Gemeinden abzuholen. Sie sind jeden Tag unterwegs, außer sonntags. Die hohen Spritpreise schlagen kräftig zu Buche. Dazu kommen die Kosten für Strom und Gas, die ebenfalls massiv gestiegen sind. Die Tafel bietet einen Mittagstisch an, das Essen wird in der Küche zubereitet. Bei dem derzeitigen Andrang stehen häufiger Fahrten zum Gütersloher Zentrallager an. Die Soester Tafel ist auf Spenden angewiesen. Weitere Informationen unter www.soester-tafel.de; Tel. 0 2921/341 072.
(Quelle: Soester Anzeiger vom 3.4.22 / Foto und Text Heyke Köppelmann)